Ich, Du und der Tod.

Ich, du und der Tod: Doppelter Abschied.

Heute darf ich euch von Nadine (Name wurde geändert) erzählen, die ihre Zwillinge während der Schwangerschaft verloren hat.
Sie macht den mutigen Anfang der Reihe „Ich, Du und der Tod.“ in der ich hier Betroffene zu Wort kommen lasse, ihre Geschichten erzähle und somit dem Tod, der Trauer und dem Umgang damit Platz und Raum einräume.

Nadine hat mir erzählt, wie sie den Verlust und die Zeit der Trauer erlebte und dafür möchte ich ihr hier ein ganz herzliches DANKE aussprechen.
Danke liebe Nadine, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast. Danke für deine Offenheit und deinen Mut.
Denn genau diese Eigenschaften braucht es, um andere Betroffenen zu erreichen. Nur so können wir zeigen: „Es geht weiter, es wird gut und du bist nicht allein.“


Nadines Tochter war knapp 6 Monate als, als sie wieder schwanger wurde. Ungeplant und sehr überraschend. Sorgen und Ängste mischten sich mit der Freude. „Ist der Altersunterschied nicht zu knapp? Wie werden wir das schaffen?“

Und zusätzlich fühle sich die Schwangerschaft komisch an. Als würde etwas nicht stimmen. Doch Nadine hoffte, das sich dieses Gefühl als falsch entpuppen würde.
Dann kam der erste Ultraschall mit der großen Überraschung: Es sind Zwillinge.
Doch gleichzeitig auch die Nachricht des Gynäkologen, dass die Embryos noch sehr klein sind und Nadine sich wohl um 4 Wochen verrechnet hatte.
Das konnte sie ausschließen und fühlte sich in ihrem Gefühl, dass etwas nicht stimmt, bestätigt.

In der 10. Schwangerschaftswoche setzen dann Blutungen ein. Nadine und ihr Mann fuhren ins Krankenhaus, aber Nadine war schon vorher klar, was passieren würde.

Ich wollte es nur bestätigt haben und erfahren, was auf mich zukommt. Ich hatte unglaublich großes Glück auf einen sehr einfühlsamen Arzt zu treffen, der sich trotz voller Ambulanz fast eine Stunde Zeit nahm.

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Nadine und ihr Mann verloren ihre kleinen Zwillinge.
Die kleine Tochter war die ganze Zeit bei ihnen und auch sie spürte instinktiv, dass etwas vorging.
Nadine wollte einfach nur raus, weg von dem, was war. Sie rief ihre beste Freundin an und die 2 machten mit der kleinen Tochter einen Spaziergang.
Sie erzählte ihrer Freundin vom Tod der Zwillinge, konnte jedoch noch nicht alle Gefühle zulassen. Sie spürte, dass sie durch das Zulassen der Trauer erstmal einen totalen Tiefpunkt erreichen würde. Deshalb wurde zwar über den Verlust gesprochen, jedoch auch gelacht und mit der Tochter gespielt.

Ich fühlte mich hilflos, traurig, aufgewühlt, erleichtert. Und ich brauchte einen Tapetenwechsel und wollte stark sein für meine Tochter, die mich brauchte.

Nadine hatte gespürt, dass es diesmal wichtig ist, den Großeltern und den engsten Freunden von der Schwangerschaft schon so früh zu erzählen. Damit dann ein Netzwerk da ist, dass sie auffangen kann. Nun mussten Nadine und ihr Mann ihnen mitteilen, dass die Schwangerschaft leider vorzeitig geendet hatte und die Zwillinge gestorben waren.
Die Reaktionen waren mitfühlend und taten gut. Nadine konnte das Erlebte immer und immer wieder erzählen und wurde gehört. Nur einmal musste sie ertragen, dass jemand sagte, sie solle froh sein, dass sie schon ein Kind habe.

Ich war erstaunt, wieviele Menschen aus meinem Bekannten- und Freundeskreis mit dem Thema Fehlgeburt Erfahrungen hatten, schon in Berührung damit gekommen waren und uns auf unserem schwierigen Weg begleiteten. Mir tat es gut, Menschen um mich zu haben, die mich einfach wortlos in den Arm nahmen, bei denen eine kleine Geste genügte, die mir Kraft gab.

Es folgten Wochen der Trauer. Nadine erlebte Momente, in denen sie nicht mehr wusste, wie es weitergehen soll. Gerade dann empfand sei es als wichtig, ihrer Trauer freien Lauf lassen zu können…
…zu weinen, zu schreien, wütend zu sein und dann wieder nach vorne blicken.
Die größte Hilfe für Nadine war ihr Mann. Er hat ihr die kleine Tochter abgenommen, sich um sie gekümmert, damit Nadine Zeit und Raum hatte zu trauern. Und auch gemeinsam fanden sie einen Weg. Sie haben gemeinsam getrauert, geweint, gelacht.
Seit dem Verlust ihrer Zwillinge ist viel Zeit vergangen. Doch die 2 Kinder sind nicht vergessen. Nie.Sie sind ein Teil von Nadine, ihrer Familiengeschichte und werden immer in ihrem Herzen sein.
Jedes Jahr am Tag der Fehlgeburt, wird Nadine ruhig. Es wird eine Kerze angezündet und daüber nachgedacht, wie es wohl gewesen wäre, mit den Zwillingssternchen und was sich geändert hätte. Der Gedanke an die Zwillinge ist gut und wichtig für Nadines Familie, ohne eine Belastung zu sein.
Es ist ein Tag, an dem ich mich nicht im Gleichgewicht befinde, der jedes Jahr aufs Neue Traurigkeit hervorruft. Und dem geben wir Raum, nehmen die Traurigkeit an und blicken dann wieder nach vorne.
Auch die folgenden Schwangerschaften waren nicht negativ belastet. Nadine hat den Verlust der Zwillinge so gut verarbeitet, dass sie trotz des Erlebten, voller Vorfreude in die neue Schwangerschaft gehen konnte. Sie spürte, dass es gut war, dass sie stark ist.

Vor rund einem Jahr hat Nadine den Kindern von ihren Zwillingsgeschwistern erzählt. Und davon, dass sie nicht leben konnten. Sie stellten Fragen, Nadine antwortete. Und dann wurde eine Kerze aufgestellt.

Wir haben viel darüber gesprochen, sie haben viel gefragt und mir war es wichtig, auf jede Frage einzugehen. Es hat uns enger verbunden.

Nadine konnte ihre Trauer gemeinsam mit ihrem Mann leben. Sie hat in ihrer Familie Platz und Bewusstsein für diese zu früh verstorbenen Kinder geschaffen und mit viel Zeit, Ruhe und Mut mit ihrer Familie Frieden gefunden.

Heute sagt sie:
„Es ist gut und wichtig zu trauern. Trauer muss nicht vergehen und so ein Verlust wird nie vergessen sein. Muss er auch nicht. Gib deiner Trauer, deiner Wut, deiner Traurigkeit Raum und Zeit.“
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